Die Schlichtungsklausel des RV-Tag in Berlin und die damit verbundenen großen Fragen… und ein Blick nach Hamburg.

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Der Beitritt zur Berliner Rahmenvereinbarung über die Finanzierung und Leistungssicherstellung der Tageseinrichtungen (Rahmenvereinbarung – RV Tag) ist für alle (freien) Kita-Träger verpflichtend, die eine Finanzierung der Kosten der vorschulischen Tagesbetreuung durch das Land begehren.

Bei der RV-Tag (Berlin) handelt es sich – und das ist wichtig – um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag (“Rahmenvereinbarung”) und nicht um ein Gesetz. Und Verträge (wie allerdings leider auch häufig Gesetze) bringen oftmals Unklarheiten mit sich, die bei Vertragsschluss noch nicht richtig vorausgeahnt werden konnten. Denn die Welt dreht sich bekanntlich weiter und nicht jede erdenkliche Kleinigkeit kann mitbedacht werden.

Kommt es dann zu Streitfällen über die Auslegung einzelner Regelungen gibt es zwei Möglichkeiten: 1. Man trifft sich vor Gericht oder 2. man versucht sich in einem Schlichtungsverfahren zu einigen. Oftmals ist die vorherige Durchführung eines solchen Schlichtungsverfahren auch vertraglich vorgegeben – so eben auch in § 13 RV-Tag. Dort heißt es:

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Ҥ 13 Schlichtungs- und Anpassungsklausel

Bei Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung oder bei Auftreten von Lücken oder eines sonstigen Anpassungsbedarfs dieser Rahmenvereinbarung verpflichten sich die vertragsschließenden Parteien innerhalb eines Monats Verhandlungen mit dem Ziel aufzunehmen, eine einvernehmliche Lösung anzustreben. Soweit in diesem Fall eine entsprechende Vertragsänderung oder -ergänzung zwischen allen diese Rahmenvereinbarung unterzeichnenden Parteien vereinbart wird, gilt diese als Anlage im Sinne von § 14 Abs. 2 mit der entsprechenden Bindungswirkung für alle beigetretenen Träger von Einrichtungen.”

Aber was bedeutet das im Einzelnen? Wie läuft ein solches Verfahren ab? Darüber schweigt der RV-Tag (Berlin) bedauerlicherweise.

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Daher erlauben wir uns einen Blick nach Hamburg:

Das dortige Schlichtungsverfahren ist ziemlich präzise geregelt – allerdings ohne dass die dortige Regelung nun auf Berlin übertragen werden kann. Dennoch ist der Vergleich aufschlussreich.

So regelt das dortige Kita-Gesetz zu § 20 KibeG (Hamburger Kinderbetreuungsgesetz):

§ 20 Schiedsstelle

(1) In der Freien und Hansestadt Hamburg wird eine Schiedsstelle für Streit- und Konfliktfälle eingerichtet, die bei Verhandlungen über das Zustandekommen von Vereinbarungenoder bei ihrer Durchführung entstehen. Sie besteht aus der gleichen Anzahl von Vertretern der öffentlichen Jugendhilfe sowie von Vertretern der Träger oder ihrer Verbände sowie einer unparteiischen vorsitzenden Person. Für die Inanspruchnahme der Schiedsstelle können Gebühren erhoben werden.

(2) Kommen Vereinbarungen nach § 15 innerhalb von sechs Wochen nicht zustande, nachdem eine Partei schriftlich zu Verhandlungen aufgefordert hat, so entscheidet die Schiedsstelle auf Antrag einer Partei unverzüglich über die Gegenstände, über die keine Einigung erreicht werden konnte.

(3) Die Entscheidungen der Schiedsstelle treten zu dem darin bestimmten Zeitpunkt in Kraft. Wird ein solcher Zeitpunkt nicht bestimmt, so wird die Festsetzung der Schiedsstelle mit dem Tag wirksam, an dem der Antrag bei der Schiedsstelle eingegangen ist.

(4) Die Parteien können die Entscheidung der Schiedsstelle innerhalb einer Woche nach der Bekanntgabe einer Kommission zur endgültigen Entscheidung vorlegen. Die Kommission besteht aus fünf Mitgliedern; sie setzt sich aus der gleichen Anzahl von Vertretern der zuständigen Behörde sowie von Vertretern der Träger und ihrer Verbände sowie einer oder einem Vorsitzenden zusammen. Den Vorsitz führt die Staatsrätin oder der Staatsrat der zuständigen Behörde oder eine oder ein von ihr oder von ihm benannte Vertreterin oder benannter Vertreter. Die endgültige Entscheidung ist schriftlich abzufassen und zu begründen sowie den Beteiligten bekannt zu geben. Für die Inanspruchnahme der Kommission können Gebühren erhoben werden. Absatz 3 findet entsprechende Anwendung.

Im Vorfeld zu dieser Schiedsstelle gibt es allerdings ein festes Verfahren, wie die Stadt Hamburg auf bestimmte vermutete Verstöße eines freien Kindergartenträgers gegen die Hamburger Landesrahmenvereinbarung zu reagieren und welche Rechte der freie Träger dabei hat.

So ist in der Landesrahmenvereinbarung Hamburg vorgegeben:

“§ 23 Überprüfung nach §§ 16 Abs. 3, 17 Abs. 2, 18 Abs. 4 KibeG

(1) Liegen begründete Anhaltspunkte dafür vor, dass in einer Einrichtung bestimmte Regelungen dieser Vereinbarung nicht eingehalten werden, kann die Behörde für Soziales, Familie, Arbeit und Integration nach Maßgabe der folgenden Regelungen eine Überprüfung des Sachverhaltes durch einen neutralen Prüfer in Auftrag geben.

(2) Dem Träger der Einrichtung ist die Prüfung unter Darlegung der begründete Anhaltspunkte und Offenlegung der vorhandenen Beweismittel rechtzeitig vorab schriftlich mitzuteilen. Auf Wunsch des Trägers der Einrichtung ist der ihn vertretende Verband über die Prüfungshandlungen zu informieren. Die Prüfung ist auf die Überprüfung der einzelnen in Frage stehenden Regelungen zu begrenzen.

(3) Der Träger der Einrichtung ist im Rahmen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit verpflichtet, an der Prüfung mitzuwirken. Er ist in jedem Stadium der Prüfung zu hören. Eine Überprüfung von Zeiträumen, welche vor Inkrafttreten dieses Vertrages oder vor dem Beitritt des Trägers für die Einrichtung zu diesem Vertrag oder länger als fünf Jahre zurückliegen, findet nicht statt.

(4) Der neutrale Prüfer erstellt einen schriftlichen Abschlussbericht für die Behörde für Soziales, Familie, Arbeit und Integration, den Träger der Einrichtung und den ihn vertretenden Verband.

(5) Stellt der Abschlussbericht einen gravierenden und vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Vertragsverstoß fest, hat die Behörde das Recht, eine Ausweitung der Prüfung in Auftrag zu geben. Ruft der Träger gegen diese Prüfungsabsicht die Schiedsstelle nach § 20 KibeG an, so wird die Auftragsvergabe bis zur Entscheidung der Schiedsstelle ausgesetzt.

(6) Die §§ 45 ff. SGB VIII bleiben unberührt.”

Ein gewaltiger Unterschied zur doch recht überschaubaren Schlichtungsklausel im Berliner RV-Tag, nicht wahr?

update: 07.04.2015:

Dankenswerterweise sind wir auf einen Hinweis auf der Webseite der Berliner Kitaaufsicht aufmerksam gemacht worden, den wir hiermit zur Vervollständigung gerne wiedergeben wollen:

Schiedsstelle nach § 78g SGB VIII

Wird beim Abschluss von Vereinbarungen über Leistungsangebote, Entgelte und Qualitätsentwicklung nach § 78b Abs. 1 SGB VIII sowie § 77 SGB VIII in Verbindung mit dem Rahmenvertrag keine Einigung zwischen der öffentlichen und der freien Jugendhilfe erzielt, kann zur Klärung der Streit- und Konfliktfälle die Schiedsstelle angerufen werden.

Die für die Schiedsstelle erlassene Verordnung regelt die Einzelheiten zum Einleiten und Führen von Schiedsstellenverhandlungen sowie zur Amtszeit und Zusammensetzung des Gremiums.

Ein Antrag auf Einleitung eines Schiedsstellenverfahrens ist schriftlich in 10-facher Ausfertigung bei der Geschäftsstelle der Schiedsstelle einzureichen. Wesentliche Unterlagen, die Gegenstand der Entgeltverhandlung waren, sind diesem Antrag beizufügen. Im Einzelnen muss der Antrag die Bezeichnung des Antragstellers und des Antraggegners (Vertragsparteien), die Angabe der Gegenstände, über die eine Einigung nicht erzielt werden konnte, eine Darstellung des Sachverhalts und den Stand der vorangegangenen Verhandlungen, die Angabe der Gründe, wegen derer aus Sicht des Antragstellers der Dissens nicht beseitigt werden konnte sowie einen konkreten Antrag und dessen Begründung enthalten.

Für das Verfahren vor der Schiedsstelle wird eine Gebühr erhoben, die zwischen 1.000 Euro und 5.000 Euro beträgt. Sie ist von der unterlegenen Vertragspartei zu tragen bzw. wird bei teilweisem Unterliegen auf die Vertragsparteien aufgeteilt.

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