Muss ein freier Träger trotz erheblichen Konfliktpotenzials mit den Eltern ein Kind den Hort aufnehmen?

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Außerhalb der Metropol-Gegenden ist die Wahlmöglichkeit für Eltern zwischen verschiedenen Betreuungsangeboten oft stark eingeschränkt.

Hat sich eine Gemeinde entschieden, alle Betreuungsleistungen in die Hände freier Träger zu übergeben, was vom SGB VIII durchaus gewünscht ist, stellt sich die Frage, ob der freie Träger einer Einrichtung im Rahmen des Betreuungs- und Förderungsanspruchs des Kindes verpflichtet ist, tatsächlich auch jedes Kind aufzunehmen.

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Der öffentliche Träger der Jugendhilfe trägt schließlich die Verantwortung dafür, dass ausreichend Einrichtungen zur Verfügung stehen, und ist überdies derjenige, gegen den sich der Betreuungs- und Förderanspruch des Kindes richtet.

Ein allgemeiner Kontrahierungszwang, ähnlich wie bei den Grundversorgern, ist dem Jugendhilferecht jedoch fremd.

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Die Zusammenarbeit von freien Trägern und öffentlicher Jugendhilfe hat grundsätzlich partnerschaftlich zu erfolgen. Die öffentliche Jugendhilfe hat dabei die Selbständigkeit der freien Träger hinsichtlich Zielsetzung und Durchführung der Aufgaben sowie der Gestaltung ihrer Organisation zu achten (§ 4 Absatz 1, Satz 2 SGB  VIII).

Daraus  lässt sich sehr wohl auch die grundsätzliche Freiheit der freien Träger herleiten, selbst zu entscheiden, wem gegenüber sie ihre Leistungen erbringen möchten, aber eben auch die Verpflichtung der Träger, nicht willkürlich die Betreuung von Kindern abzulehnen.

Eingeschränkt wird diese Freiheit in den Landesgesetzen, so zum Beispiel in § 14 Absatz 2 KitaG (Brandenburg) dahingehend, dass die Einrichtungen des freien Trägers grundsätzlich allen Kindern offen stehen müssen und zwar unabhängig von deren religiösen oder weltanschaulichen Hintergrund. 

Ähnliche Regelungen finden sich auch in anderen Kita-Gesetzen. Weitere Einschränkungen jedoch der Vertragsfreiheit etwa aus anderen Gründen sind in aller Regel nicht kodifiziert.

Die öffentliche Hand hätte nur die Möglichkeit über einen Finanzierungsausschluss nach § 74 Absatz 2 SGB VIII das für nicht zulässig erachtete Verhalten des freien Trägers zu sanktionieren.

Denn im Rahmen der Finanzierungsvereinbarungen (z.B. RV TAG 2014 Berlin oder § 12 Landesrahmenvertrag Hamburg) wird von den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe oder auf gesetzlicher Ebene (so z.B. in § 15 KitaG Brandenburg oder in § 23 KitaFöG Berlin)  verlangt, dass die Einrichtungen der freien Vertragspartner „grundsätzlich allen Kindern offen“ stehen, um staatliche Fördergelder zum Betrieb der Einrichtungen erhalten zu können.

Aber auch hier kann nur die grundsätzliche Bereitschaft verlangt werden, nicht die tatsächliche Aufnahme jedes Kindes, unabhängig von sonstigen Bedingungen. In einem Fall, zu dem wir kürzlich berieten, bestanden Eltern, die zuvor in jüngster Vergangenheit massiv die Kompetenz des Trägers angezweifelt und schließlich sogar den Träger zur Eigenkündigung des Betreibervertrags gezwungen hatten, nun auf der Betreuung ihres größeren Kindes im Hort eben dieses Trägers.

Schließlich schaltete sich sogar der Bürgermeister ein und verlangte ebenfalls die Betreuung des Kindes durch den Träger. Es gehe doch um die Betreuung des Kindes und nicht um die Differenzen zwischen Eltern und Träger.

Ein stark belastetes und konfliktträchtiges Verhältnis von den Eltern zu den Trägervertretern oder dem pädagogischen Personal kann ein ausschlaggebendes Argument sein, der einen Träger zur Nichtannahme eines Kindes berechtigt, ohne Konsequenzen auf gesetzlicher oder vertraglicher Ebene befürchten zu müssen. 

Denn: Die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Eltern ist in vielen Kita-Gesetzen unter dem Begriff der „Erziehungspartnerschaft“ oder Mitwirkung/Beteiligung von Erziehungsberechtigten festgeschrieben (so z.B. in Art. 11 BayKiBiG/§ 3 AV BayKiBiG, § 6 SächsKitaG oder  § 6 KitaG Brandenburg).

Erziehungspartnerschaft ist ohne ein Mindestmaß an gegenseitigem Vertrauen und gegenseitiger Wertschätzung nicht denkbar.

Aktualisierung 25.08.2015: Anlass für diesen Beitrag war das Mandat eines renommierten Trägers aus Guben. Die Eltern begehrten Zugang zu einem Hort, der von unserer Mandantschaft betrieben wird.

Unserer rechtlichen Einschätzung folgend verweigerter der Träger den Vertragsschluss. Hiergegen wandten sich die Eltern in einem Eilverfahren an das Verwaltungsgericht Cottbus, jedoch ohne Erfolg. Nach Auffassung der Richter der 5. Kammer ist der Träger nicht passivlegitimiert.

Denn nach § 3 Absatz 2 Satz 2 SGB VIII bzw. § 12 Absatz 1 KitaG ist Leistungsverpflichteter des Anspruchs auf Kinderbetreuung keinesfalls ein Träger der freien Jugendhilfe sondern immer der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, was nach § 59 Absatz 1 SGB VIII i.V.m § 1 Absatz 1 AGKJHG in der Regel die Landkreise sind. Bei Vorliegen eines entsprechenden öffentlich-rechtlichen Vertrags kämen auch die kreisangehörigen Gemeinden oder Ämter als Anspruchsgegner in Betracht. 

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Die Vertragsfreiheit der freien Träger