Keine ZEIT gehabt umfassend zu recherchieren? Einen Bericht der ZEIT finden wir jedenfalls sehr befremdlich….

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Die ZEIT hat unter der Überschrift „Hauptsache, die Eltern erfahren von nichts“ einen recht langen Bericht [Link hier] über die angeblichen Versäumnisse der Kitaaufsicht in Berlin publiziert, der uns – die sehr viel mit der Berliner Kitaaufsicht aus Eltern-, Erzieher- oder Träger-Perspektive zu tun haben – mit ungläubigem Kopfschütteln zurückgelassen hat.

Und zwar nicht, weil wir die dort dargestellte Auffassung teilen, sondern weil wir genau Gegenteiliges erleben und zudem im Artikel haarsträubende Verkürzungen und rechtliche Falschbewertungen sich aneinanderreihen.

Warum dies so schlimm ist, zeigt sich insbesondere bei den über 200 Kommentaren unter dem Bericht, die in Mehrzahl – kein Wunder bei den Behauptungen! – den Beamten und Beschäftigten Unfähigkeit vorwerfen und allgemein die Staatsverdrossenheit befeuern.

Aber auch Eltern werden so natürlich verunsichert und das Vertrauen in Kindertagesstätten allgemein als auch in die Aufsichtsbehörden insbesondere völlig sinnbefreit untergraben.

Aber im Einzelnen:

1.

Die Überschrift lautet: „Hauptsache, die Eltern erfahren von nichts“

Was soll das sein? Eine Tatsache, die man der Kitaaufsicht unterstellt? Eine Motivation, die das Handeln der dortigen Personen bestimmt? Also, dass das Wichtigste sei, das Eltern nichts erfahren? Falls ja, könnte das fast schon als ehrenrührig durchgehen. Auf jeden Fall würde es massive (Amts-) Pflichtverletzungen suggerieren.

Oder soll die Überschrift eine Wertung sein? Nur worauf basiert diese Wertung? Etwa aus dem, was nachfolgend geschildert wird – ohne aber offensichtlich die rechtlichen Rahmenbedingen zu kennen …und verstanden zu haben?

Oder wollten die Redakteure ihren Artikel lieber mit einer strammen Behauptung statt mit einem schwachen Beweis starten lassen?

2.

Die oben zuletzt geäußerte Vermutung wird genährt durch das, was der Überschrift nachfolgt:

Denn dort wird in der Sub-Headline gleich mal zackig von „skrupellosen Kitabetreibern und Erziehern“ schwadroniert, vor denen doch die Eltern zu schützen seien. Damit wird schon mal der Ton für das, was folgt, vorgegeben: Eltern gut, Träger und Erzieher skrupellos. Weiß und Schwarz. Ganz einfach.

Es wird also offensichtlich unterstellt, dass es solche skrupellosen Träger und Erzieher in nennenswerter Zahl im Land Berlin gäbe. Beweise für skrupellose (der Duden hat interessante Synonyme dafür[Link]) Eigenschaften? Fehlanzeige.

3.

Und weiter geht es im Text:

Man beschwert sich, dass eine Seite der eingesehenen Akten geschwärzt sei und legt dies als Geheimnskrämerei und – so muss man es wohl lesen – als Vertuschungsversuch aus.

Weiter unten im Text echauffiert man sich dagegen über ungeschwärzte Stellen und unterstellt, dass der Kitaaufsicht Berlin der Datenschutz der Kinder und Eltern egal seien.

Ja was denn nun?

4.

Überhaupt: Der Vorwurf „Hauptsache die Eltern erfahren nichts“ ist wohl in ziemlicher Unkenntnis der  rechtlichen Lage erfolgt. Denn es gilt auch für die Kitaaufsicht das Geheimnis des Verwaltungsverfahrens!

Geregelt ist dies zum Beispiel in §30 VwVfG Bund (die einzelnen Länder haben vergleichbare Regelungen).

Danach gilt:

§ 30 Geheimhaltung

Die Beteiligten haben Anspruch darauf, dass ihre Geheimnisse, insbesondere die zum persönlichen Lebensbereich gehörenden Geheimnisse sowie die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, von der Behörde nicht unbefugt offenbart werden.

Allein dies führt bereits dazu, dass Eltern selbstverständlich nicht über alles und jeden durch die Kitaaufsicht informiert werden dürfen. Wäre dies beachtet worden, hätte allerdings die zackige Überschrift nicht mehr funktioniert.

Darüber hinaus sind die Träger und das Land Berlin über öffentlich-rechtliche (Betreiber-) Verträge miteinander verbunden. Wechselseitige Treuepflichten führen daher ebenso dazu, dass nicht Eltern alles erfahren können und dürfen. Denn die Eltern sind außenstehende Dritte.

Schlussendlich gibt es so etwas wie (Personal-) Datenschutz und die Unschuldsvermutung, die bekanntlich (?) solange gilt, bis jemand rechtskräftig verurteilt worden ist. Im Fall des Erziehers im Text, der einer Straftat beschuldigt wurde, hätte man hierzu doch etwas mehr an Ausführungen erwarten dürfen, oder? Es ist immerhin die ZEIT, die hier schreibt!

5.

„Über die Arbeit der Kitaaufseher dringt bisher kaum etwas nach draußen, weder in Berlin noch irgendwo sonst in der Republik.“

So heißt es geheimnisvoll im Artikel. Auch hier scheint wieder nach dem Motto verfahren worden zu sein, lieber eine stramme Behauptung, als ein schwacher Beweis.

Dass über die Arbeit im konkreten Einzelfall wenig herumposaunt werden darf, ist ja bereits oben (Geheimhaltung, Datenschutz) dargelegt worden.

Aber natürlich gilt auch: Schon allein in diesem Blog findet sich viel über die Arbeit der Aufsichtsbehörden. Zudem gibt es Fachtagungen, Vorträge, Verbandsveranstaltungen.

Wer denn wirklich will, kann sich auch bei uns über die Arbeit der Kitaaufsicht informieren. Wir geben über das Jahr genügend Veranstaltungen, die sich (auch) mit diesem Thema beschäftigen. Sogar die von uns unterrichteten angehenden Erzieher an den Fach(hoch)schulen sollten einen recht guten Eindruck davon haben, wie die Kitaaufsicht arbeitet und was konkret passiert, wenn sich Eltern – berechtigt – beschweren.

6.

„Kindeswohl geht vor Datenschutz“ – wieder so eine stramme Behauptung. Haben sich die Redakteure der ZEIT einmal die Mühe gemacht, dies rechtlich gegenprüfen zu lassen?

7.

Nächstes: Nur weil sich Eltern beschweren, muss doch nicht jede Beschwerde a) zutreffend sein und/oder b) auch noch in den Zuständigkeitsbereich der Kitaaufsicht fallen. Es gibt zu allem möglichem Beschwerden, die (natürlich nicht immer) aber durchaus häufiger bei genauerer Betrachtung gar kein Fehlverhalten beschreiben oder reine Vertragsstreitigkeiten betreffen.

Selbstredend gibt es mehr als berechtigte Beschwerden. Und jede einzelne berechtigte Beschwerde ist eine zuviel. Aber es gibt eben auch Beschwerden, die völlig an der Sache vorbeigehen. Wir haben damit tagtäglich zu tun. Und zwar aus Träger-/Erziehersicht wie auch aus Elternsicht. Wir wissen wovon wir reden!

8.

„Im vergangenen Jahr ging der Träger der Kita sogar soweit, die Betreuungsverträge mit den Eltern befristen zu wollen. Die Senatsverwaltung lehnte den Plan als illegal ab.“

Soso, der Träger ging sogar soweit (!) Betreuungsverträge befristeten zu wollen! Wie konnte er nur! Skrupellos so etwas! Illegal! Mindestens!

Die ZEIT hat offenbar völlig übersehen (wollen), dass befristete Betreuungsverträge in fast allen anderen Bundesländern absolut üblich sind. Auch in Berlin ist das unter bestimmten Voraussetzungen möglich und somit nicht unbedingt „illegal“. Das hätte man als ZEIT auch herausfinden können, wenn man sich denn wenigstens kurz mit der rechtlichen Materie auseinander gesetzt hätte. Aber dafür war anscheinend keine ZEIT.

Denn das hiesige Kitagesetz (KitaFöG) gestattet in § 16 Abs. 2 KitaFöG [Link] ach wie überraschend:

Befristungen oder Bedingungen zur Auflösung des Betreuungsvertrages sind nur aus dringenden Gründen im Einzelfall zulässig. Darüber hinausgehende allgemeine Befristungen oder Bedingungen sind nur zulässig, wenn diese auf Grund der pädagogischen Konzeption erforderlich sind und die für die Aufsicht nach § 45 des Achten Buches Sozialgesetzbuch zuständige Stelle zugestimmt hat.

Was im Gesetz als Möglichkeit vorgesehen ist, kann nicht verwerflich – oder gar skrupellos – sein zu beanspruchen. Im Gegenteil könnte es sogar aufgrund eines Einzelfalls oder aufgrund des pädagogischen Konzept angezeigt gewesen sein. Leider erfährt man nichts über die Hintergründe. Warum auch?

9.

„Doch der Träger war in diesem Fall kein Wohlfahrtsverband, sondern der Ehemann der Leiterin.“

Es wäre neu, wenn im Land Berlin bei einer kitagutscheinfinanzierten Einrichtung eine natürliche Person „der Träger“ sein dürfte. Auch hier verfehlt die ZEIT ihr Ziel.

Davon abgesehen: Selbst wenn ein Ehegatte Gesellschafter/Geschäftsführer eines Trägers sein sollte, ist dies immer noch vom Grundrecht auf Eigentum und dem Grundrecht auf Berufsfreiheit gedeckt. Kein Grund also hier irgendetwas Skrupelloses hineinzugeheimnissen. In vielen Bundesländern ist das ohne Probleme möglich.

Davon abgesehen möge die ZEIT sich mal die Situation bei einer Tagesspflege oder Verbundpflege vergegenwärtigen. Hier gibt es erst recht nicht in der „Einrichtung“ eine sonstige Stelle für Beschwerden, oder?! Und? Auch skrupellos?

10.

„Ich bin keine Ermittlungsbehörde. Es ist nicht meine Aufgabe und ich habe auch keine Möglichkeit herauszufinden, wer hier die Wahrheit spricht.“

So laut ZEIT-Bericht eine Beschäftigte bei der Kitaaufsicht.

Und? Was ist daran falsch? Dieser Satz ist inhaltlich absolut zutreffend. Es ist auch keine Abwiegelung von kritischen Eltern, wobei die ZEIT schon wieder einfach mal unterstellt, dass kritische Eltern offenbar stets und immer Zutreffendes berichten.

Die Ermittlungsbehörde ist die Staatsanwaltschaft. Daher ist es absolut folgerichtig, wenn Eltern auf diese Behörde und die Möglichkeit, dort Anzeige zu erstatten hingewiesen werden.

Die ZEIT will im Ergebnis ernsthaft feststellen, dass

„wenn es um den Schutz der Kinder geht, versagt das System. Das Beispiel Berlin zeigt: Es fehlt an Professionalität und am Willen, Qualitätsstandards durchzusetzen.“

Wir streiten uns häufig und intensiv mit der Kitaaufsicht in Berlin (aber natürlich auch andernorts). Und wir sind auch häufig nicht einer Meinung. Aber was wir noch nie erlebt haben, ist eine „Wurstigkeit“ oder gar Willensschwäche (sic!) beim Umgang mit Elternbeschwerden. Ein Versagen des Systems (sic!) erst recht nicht. 

Und wir wetten eine Flasche Wein, dass es in Berlin keinen einzigen Träger geben wird, der der Kitaaufsicht mangelnden Willen, mangelnde Professionalität oder gar „laissez faire“ beim Thema Kinderschutz und der Einhaltung der diesbezüglichen Aufsichtsverpflichtungen bescheinigen würde.

Im Gegenteil.

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Kitaaufsicht Berlin: Was macht die ZEIT denn da?