Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin zur Erziehertätigkeit in Wohngruppen
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin (Az. VG 14 K 184.14) hatte Anfang Juni für einige Aufmerksamkeit gesorgt. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass für pädagogische Fachkräfte in Wohngruppen mit alternierender Rund-um-die-Uhr-Betreuung die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) zur Anwendung kämen.
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Auf die Regelung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG könne sich der Träger nicht berufen. Nach dieser Vorschrift ist das Arbeitszeitgesetz auf Arbeitnehmer, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen, nicht anzuwenden.
Nach Auffassung der Verwaltungsrichter der 14. Kammer lege eine häusliche Gemeinschaft nur dann vor, wenn die Betreuung einem Zusammenleben und gemeinsamen Wirtschaften in einem Familienverbund weitgehend gleichkomme.
Auch wenn das Urteil für die meisten Kita-Träger keine größere Bedeutung hat, so gibt es doch Anlass, sich drei Tatbeständen, denen wir in unserer Beratungstätigkeit immer wieder begegnen, mit Blick auf das Arbeitszeitgesetz etwas genauer zuzuwenden: Elternabend, Kita-Übernachtung, Kita-Reise
Die drei zentralen Begriffe des ArbZG sind die Arbeitszeit (§ 2 Absatz 1 und § 3 ArbZG), die Ruhepausen (§ 4 ArbZG) und die Ruhezeit (§ 5 ArbZG).
Grundregel ist, dass die werktägliche Arbeitszeit 8 Stunden nicht überschreitet. Im Einzelfall und bei entsprechendem Ausgleich ist eine Verlängerung auf bis zu 10 Stunden zulässig. Wer also von 20.00 bis 21.30 Uhr den Elternabend leitet, diesen zuvor vorbereitete und 45 Minuten Ruhepausen genoss, darf seinen Dienst allerfrühestens um 10.45 Uhr begonnen haben und die darf, weil § 5 ArbZG eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 anordnet, den Dienst am nächsten Tag erst um 8.30 Uhr beginnen.
Ruhezeit: Die Zeit zwischen Ende der Arbeitszeit eines Tages und dem erneuten Beginn am nächsten Arbeitstage. In dieser Zeit darf einer Arbeitnehmerin gegenüber dem Träger keinerlei Verpflichtung obliegen, die sie daran hindert, frei und ohne Unterbrechung ihren Interessen nachzugehen.
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Für die Kita-Übernachtung gilt entsprechendes. Wer also die Kita-Übernachtung von 18.00 Uhr bis zum nächsten Morgen um 8.00 Uhr betreut überschreitet die zulässige tägliche Höchstarbeitszeit um 3 Stunden und 15 Minuten, bei Annahme einer 45-minütigen Pause.
Dass die Kinder nach dem Pizzabacken, der Nachtwanderung und der Gruselgeschichte (hoffentlich) auch irgendwann schlafen, spielt für die Berechnung der Arbeitszeit keine Rolle.
Die Schlafphase der Kinder gilt als sogenannter Bereitschaftsdienst und dieser ist nach gefestigter Rechtsprechung der Arbeitszeit zumindest bezüglich des ArbZG gleichzustellen (etwas anderen kann hinsichtlich der Vergütung vereinbart werden).
Bereitschaftsdienst: Eine Arbeitsform, bei der sich der Arbeitnehmer, ohne dass von ihm wache Aufmerksamkeit gefordert wird, für Zwecke des Betriebs an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebs aufzuhalten hat, damit er wenn erforderlich seine volle Arbeitstätigkeit unverzüglich erbringen kann.
Die Kita-Übernachtung sollte also mit einem gestaffelten Personaleinsatz geplant werden.
Die Kita-Reise stellt hier deutlich höhere Anforderungen an die Personalplanung, zumindest wenn die Vorschriften des ArbZG eingehalten werden sollen. Es ist bei regulärem Personalschlüssel kaum vorstellbar, dass die Höchstarbeitszeit von 10 Stunden oder die erforderliche Ruhezeit eingehalten werden kann. Dies gilt insbesondere, da auch die Nachtzeit zur Bereitschaftszeit (s.o.) gezählt wird.
Möglicherweise bietet aber § 14 ArbZG einen Ausweg. Danach darf von den Regelungen der §§ 3 – 5 ArbZG in außergewöhnlichen Fällen abgewichen werden. Dies gilt nach Absatz 2 Nr. 2 auch „unaufschiebbaren Arbeiten zur (…) Betreuung von Personen (…) an einzelnen Tagen, wenn dem Arbeitgeber andere Vorkehrungen nicht zugemutet werden können.“
Auf jeden Fall sollte so viel Personal wie möglich mit auf Fahrt gehen, um zumindest gelegentlich eine kleine Auszeit für jeden Verantwortlichen zu ermöglichen. Und durch täglichen Wechsel bei der Schlafwache in der Nacht kann man zumindest in die Nähe der regulären Arbeits- bzw. Ruhezeiten kommen.
Der Vollständigkeit halber:
Tarifvertraglich erlaubt § 7 ArbZG die Abweichung von den Regelungen der §§ 2 – 6 ArbZG.
Verstöße gegen das ArbZG stellen Ordnungswidrigkeiten dar und können mit Geldbuße bis 15.000 € geahndet werden.
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