Der Bundesgerichtshof hat zu Schadensersatzklagen von Eltern ohne Kitaplatz geurteilt – wir haben uns die wichtigsten Aussagen dazu einmal angeschaut!
Vorab: Bitte besuchen Sie zu dem Thema auch unsere Sonderseite zu den gerichtlichen Eilverfahren auf Nachweis eines Betreuungsplatzes hier!
Das Wichtigste im Urteil zuerst:
Der BGH (Urteil des III. Zivilsenats vom 20.10.2016 – III ZR 278/15) hat in seinen Urteilen zu den Klagen von Eltern ohne (rechtzeitigen) Kitaplatz keine konkret zu zahlende Schadenssumme für Verdienstausfall etc. ausgeurteilt oder bestätigt.
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Stattdessen ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden.
Dies allerdings – und das ist hier für diesen Blogbeitrag relevant – weil der BGH zu einer (teilweise) anderen rechtlichen Bewertung gekommen ist, als zuvor das Gericht in der 2. Instanz.
Denn dieses, so der BGH, habe rechtsfehlerhaft
„…einen Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG) abgelehnt.“
Denn es
…“liegt eine Amtspflichtverletzung der Beklagten vor.“
Mit „der Beklagten“ ist die hier verklagte Stadt gemeint.
Denn durch den Anspruch auf Betreuung in einer Kindertagesstätte (Kita, Kindergarten, etc.)
„…erwächst für den örtlich (§ 86 SGB VIII) und sachlich (§ 85 Abs. 1 SGB VIII) zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe (§ 3 Abs. 2 Satz 2, § 69 Abs. 1 SGB VIII i.V.m. dem jeweiligen Landesrecht) die (Amts-)Pflicht, im Rahmen seiner die Planungsverantwortung umfassenden Gesamtverantwortung (§ 79 Abs. 1 und 2 Nr. 1, § 80 SGB VIII) sicherzustellen, dass für jedes anspruchsberechtigte Kind, für das ein entsprechender Bedarf rechtzeitig angemeldet worden ist (§ 24 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII), ein Betreuungsplatz zur Verfü- gung steht; insoweit trifft ihn eine unbedingte Gewährleistungspflicht (Bayerischer VGH, Beschluss vom 17. November 2015 – 12 ZB 15.1191, BeckRS 2016, 41519 Rn. 24; Struck in Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl., § 24 Rn. 20 f; Rixen, NJW 2012, 2839; Mayer, VerwArch 2013, 344, 346 f, 349 f, 358).“
Das „Zauberwort“ und das wirklich Wichtige aus den zuvor aufgeführten Ausführungen ist dabei „unbedingte Gewährleistungspflicht“. Denn die Pflicht bedeutet, dass man sich nicht nur auf eine vorhandene (und somit womöglich nicht ausreichende) Kapazität beschränken und zurückziehen dürfe.
Stattdessen ist eine Kommune gehalten, selber genügend Kitaplätze zu schaffen oder diese durch Förderung von freien Trägern der Jugendhilfe (also ‚privaten‘ Kita-Trägern) oder in der Tagespflege zur Verfügung zu stellen.
Der BGH führt deshalb aus:
„Die vorbezeichnete Amtspflicht besteht nicht nur im Rahmen der vorhandenen Kapazität; vielmehr ist der gesamtverantwortliche Jugendhilfeträger gehalten, eine ausreichende Zahl von Betreuungsplätzen selbst zu schaffen oder durch geeignete Dritte – freie Träger der Jugendhilfe oder Tagespflegepersonen – bereitzustellen …“
Nur nebenbei sei erwähnt, dass dieser Platz – auch das macht der BGH erneut deutlich – natürlich zumutbar sein muss.
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Dies bedeutet – vereinfacht ausgedrückt – somit, dass man (für Eltern jeweils zumutbare) Betreuungsplätze schlichtweg haben muss.
Aber:
Für einen Schadensersatzanspruch von Eltern, die vom Schutzbereich des Betreuungsanspruchs eines Kindes mit umfasst sind, kommt es jedoch immer noch auf eine schuldhafte Amtspflichtverletzung an. Denn allein:
„Mit der Nichterfüllung des Anspruchs auf einen Betreuungsplatz ist das Verschulden der Bediensteten des Jugendhilfeträgers zwar nicht schon abschließend – im Sinne einer unwiderleglichen Vermutung – festgestellt …“
Also allein weil ein Platz Eltern nicht zur Verfügung steht, ist damit noch nicht gleichzeitig gesagt, dass dies schuldhaft auf eine Amtspflichtverletzung zurückzuführen ist. Allerdings spricht hierfür zugunsten von benachteiligten Eltern der Beweis des ersten Anscheins, so dass diesen eine Beweiserleichterung zu Gute kommt.
Hierzu der BGH ausdrücklich:
„Ein solcher Sachverhalt liegt vor, wenn der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe seiner unbedingten Gewährleistungspflicht, einen rechtzeitig beantragten Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen, nicht nachkommt.“
Dann ist es somit Sache der Kommune als örtlichen Träger der Jugendhilfe
„…den gegen sie streitenden Anscheinsbeweis zu erschüttern.“
Wobei der BGH vorsorglich gleich einem Argument einen Riegel vorschiebt. Nämlich:
„Auf allgemeine finanzielle Engpässe kann sie sich hierbei nicht mit Erfolg berufen (…) weil der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach der gesetzgeberischen Entscheidung für eine ausreichende Anzahl an Betreuungsplätzen grundsätzlich uneingeschränkt – insbesondere: ohne „Kapazitätsvorbehalt“ (BVerfG, NJW 2015, 2399, 2401 Rn. 43) – einstehen muss.“
Denn man muss für eine ausreichende Anzahl an Betreuungsplätzen einstehen. Jedoch: Die Möglichkeit, dass sich eine Kommune zwar nicht auf allgemeine finanzielle Engpässe beruft, sondern auf konkrete finanzielle Ausnahmesituationen hat der BGH (noch) keine Absage erteilt.
Es wird also interessant werden, ob Kommunen in diese Richtung argumentieren werden und wie sich dann gegebenenfalls der BGH dazu positioniert.
Es bleibt auf jeden Fall weiter spannend.
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von Rechtsanwalt Holger Klaus [Mehr…]
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